Unternehmertum

Erfolgreiche Unternehmensnachfolge: Von der Gründung zur Mentorship

Prof. Dr. Thomas Zellweger von der Universität St. Gallen ist Experte im Bereich Familienunternehmen. Im Interview erklärt er, wie Nachfolge gelingen kann.

Datum
Autor
Klaus Rathje, Gastautor
Lesezeit
7 Minuten
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Herr Professor Zellweger, was fasziniert Sie an Familienunternehmen?
Es ist ein Unternehmenstypus, der konträr steht zum Mainstream der Betriebswirtschaftslehre. Es sind Unternehmen, die nicht rein finanzielle Ziele verfolgen, die langfristig orientiert sind. An der Spitze haben diese Unternehmen ein Gremium, das ein bisschen anachronistisch aufgestellt ist, da es sich um Familienmitglieder handelt. Dieses Spannungsfeld zwischen einer sehr archaischen Unternehmensform, die sich sehr erfolgreich in der modernen Welt schlägt, finde ich spannend.

Worin sehen Sie die Vor- oder auch Nachteile?
Der Familieneinfluss ist ambivalent, also die typischen Attribute von Familienunternehmen können genauso Vorteile wie Nachteile mit sich bringen. Wenn die Eigentümer gleichzeitig die Manager sind, kann das Effizienzvorteile bringen und zu schnelleren Entscheidungen führen. Aufgrund ihrer langfristigen Ausrichtung und ihrer teilweise langen Historie verfügen Familienunternehmen über einen Ressourcenvorteil in Bezug auf Know-how, starken Netzwerken oder Marktkenntnis.

Manchmal sind sie allerdings etwas zurückhaltend, wenn es darum geht, Risiken einzugehen. Insgesamt haben Familienunternehmen höhere Profitmargen als Nicht-Familienunternehmen. Aber dort, wo es darum geht, die Mittel für Neues einzusetzen, sind Familienunternehmen tendenziell eher zurückhaltend. Unterm Strich sind sie also in etwa gleich erfolgreich.

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"Ein grosses Missverständnis liegt darin, dass Übergabeprozesse an die Nachfolgegeneration möglichst schnell ablaufen sollen," sagt Prof. Dr. Zellweger zur Unternehmensnachfolge.

Wo liegen die Stolpersteine bei der Nachfolge?
Ich glaube, ein grosses Missverständnis liegt darin, dass Übergabeprozesse an die Nachfolgegeneration möglichst schnell ablaufen sollen, so nach dem Motto: Die Juniorgeneration tritt ein und die Seniorgeneration geht gleich raus. Unsere Forschungen zeigen, dass es durchaus Sinn macht, diesen Prozess sequenziell mit überlappender Zeit zu organisieren.

Die Übergabeprozesse, wo die Seniorgeneration noch eine Weile unterstützt, laufen am erfolgreichsten. Dafür müssen sie ihre Rolle aber gegenüber der nächsten Generation neu definieren. Es geht dann eher darum, Mentor zu sein, den Boden bereiten, damit die Nachfolgegeneration erfolgreich sein kann, und Stabilität ausstrahlen. Somit ist es wichtig, diese Übergabephasen gut zu planen.

Wie lang sollte so eine Übergangsphase sein?
Das Entscheidende ist, dass die Übergabe so läuft, dass ein Übernehmer wirklich übernehmen kann. Die Seniorgeneration sollte so lange dabeibleiben, bis die neue Person wirklich fest im Sattel sitzt und die Unterstützung der leitenden Mitarbeitenden hat und die Märkte gut kennt. Ich sehe da Zeiträume von drei bis acht Jahren. Es gibt Fälle, wo diese Phasen länger sind, aber da wird es zunehmend problematisch, denn ab einem gewissen Punkt wird die Seniorgeneration hinderlich, schliesslich muss die Nachfolgegeneration ihren eigenen Modus finden.

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Dieser Prozess erfordert aber von beiden Seiten ein hohes Mass an persönlicher Reife. Von der Seniorgeneration braucht es viel Verantwortungsbewusstsein.
Ja, es ist ein fliessender Prozess, wo eine Person an Einfluss verliert und eine andere an Einfluss und Status gewinnt. Das ist manchmal auf der einen Seiten mit Verlustängsten verbunden, und auf der anderen Seite mit der Angst, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Aber das ist der Preis, den beide Seiten zahlen müssen.

Manchmal herrscht ja auch eine gewisse Sprachlosigkeit zwischen den Generationen. Wann redet man am besten über die Nachfolge?
Die Frage ist ja, unter welchen Bedingungen kann es gelingen, dass sich jemand wohlfühlt in einer solchen Aufgabe. Eine wichtige Voraussetzung, dass sich jemand zu Hause fühlt in einer neuen Führungsrolle, ist Autonomie. Die Nachfolgegeneration muss autonome Entscheidungen treffen dürfen. Das muss sich ja nicht sofort auf die gesamte Firma beziehen, aber zumindest auf bestimmte Bereiche, also eine Abteilung oder eine Ländergesellschaft. Dann muss sich der Übernehmende auch der Aufgabe gewachsen fühlen. Das kann die Geschäftsführung sein, aber vielleicht ist eine andere Funktion viel besser geeignet. So ein Umfeld zu schaffen, wo sich die Juniorgeneration wohlfühlt, kann für die Seniorgeneration wiederum eine spannende Aufgabe darstellen.

Universität St. Gallen
"Eine wichtige Voraussetzung, dass sich jemand zu Hause fühlt in einer neuen Führungsrolle, ist Autonomie," sagt Prof. Dr. Zellweger (Universität St. Gallen). Photo © Keystone/Ernst Weingartner. © Keystone/Ernst Weingartner.

Wie kann eine Familienverfassung beim Nachfolgeprocedere helfen?
Eine Familienverfassung ist überall dort hilfreich, wo zu klären ist, wie eine Inhaberfamilie auf die Firma einwirkt und wo eine gewisse Komplexität innerhalb der Firma und der Familie besteht. Wenn die Nachfolgegeneration aus einem Einzelkind besteht, braucht es wahrscheinlich keine Familienverfassung. Aber überall dort, wo es verschiedene Familienzweige gibt oder die Firma einen hohen Anspruch stellt an die Führungsfunktion, macht es Sinn, die Beziehung zwischen Eigentümer und Firma zu klären. Damit können sich die Eigentümer gewissermassen selbst professionalisieren.

Auch die Diskussion über Werte und Ziele innerhalb der Familie kann schon sehr fruchtbar sein.
Ja, und die Verschriftlichung der Diskussionsergebnisse kann wiederum einem Management schnell verständlich machen, was die Familie von der Firma erwartet, welche Werte und Ziele sie vertritt. Das kann dann wiederum ein Familienunternehmen zu einem wertvollen und sinnstiftenden Arbeitgeber machen - und schon im Vorfeld Konflikte vermeiden.

Familienunternehmerstudie - die Unternehmensübergabe als Chance

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Die LGT Bank widmet sich in Österreich jedes Jahr im Rahmen ihrer Initiative "Familienunternehmen - Ein Business mit Stammbaum" einem Spezialthema. Der Fokus der Studie von 2021: "Nachfolgeregelung bei Familienbetrieben".

Spannende Einblicke und interessante Ergebnisse zum Thema Unternehmensübergabe sowie weitere Informationen zum Download der Studie finden Sie auf der Seite der LGT Bank AG, Zweigniederlassung Österreich.

Was würden Sie der Nachfolgegeneration raten?
Naja, was ich auch hier unter meinen Studierenden, die aus solchen Familien stammen, beobachte ist, dass der Einstieg ins Familienunternehmen nur eine von mehreren Karriereoptionen darstellt. Es muss auch nicht unbedingt die attraktivste sein. Sie steht also im Wettbewerb mit anderen Möglichkeiten wie etwa der Gründung einer eigenen Firma oder einer Karriere in einem anderen Unternehmen.

Daneben steht nun der Einstieg ins Familienunternehmen, was finanziell sicherlich attraktiv sein kann, aber natürlich längerfristig angelegt ist und mit der Erwartungshaltung daherkommt, dass dies ein Job auf Lebenszeit ist. Das schreckt viele ab. Von daher würde ich jungen Leuten empfehlen, erst Mal ihr eigenes Ding zu machen, internationale Erfahrungen zu machen und herauszufinden, worin sie gut sind.

Der Einstieg ins Familienunternehmen stellt nur eine von mehreren Karriereoptionen dar.

Prof. Dr. Zellweger (Universität St. Gallen)

Erst dann würde ich empfehlen, einen Einstiegsweg ins Familienunternehmen zu suchen, wo sie in einem ersten Schritt die Firma kennenlernen, vielleicht über Praktika. Im zweiten Schritt dann könnten sie eine Senior-Funktion übernehmen und erst dann die Geschäftsführung. Aber generell würde ich dazu raten, so eine Chance zu nutzen, Unternehmerin oder Unternehmer zu werden.

Wie lassen sich Konflikte vermeiden?
Naja, es geht nicht nur darum, den richtigen Nachfolger zu finden aus der Erbengenration, sondern sich auch Gedanken darüber zu machen, was aus den anderen wird. Damit lässt sich vermeiden, dass Familienmitglieder in Konkurrenz zueinander treten und ein Unternehmen aufgeteilt werden muss.

Besser ist es, ein konstruktives Verhältnis zu pflegen und Familienmitglieder, die nicht in die Geschäftsleitung eintreten, über einen Aufsichtsrat, eine Holding oder ein Family Office oder andere Gremien einzubinden. Auch wer nicht operativ einsteigt, kann so in der Gesamtorganisation eine gewisse Rolle spielen. Das ist ein grosser Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Familienunternehmens.

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